Systematische Theologie und Religionsphilosophie

 

Die an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock angesiedelte Systematische Theologie ist eine Teildisziplin der Evangelischen Theologie. Sie fragt danach, ob und wie bzw. inwiefern diejenigen Aussagen und Handlungen, in denen sich der christliche Glaube evangelischer Konfession ausspricht, sich in Auseinandersetzung mit dem Horizont des je gegenwärtigen Bewusstseins dessen, was wahr ist, und dessen, was richtig ist, bzw. dessen, was der Fall ist, und dessen, was der Fall sein sollte, vertreten lassen. Diesem Verständnis zufolge bezieht die Systematische Theologie sich auf eine ihr vorausliegende evangelisch-christliche Sprach- und Handlungspraxis ─ die Praxis von Kirchen, Gemeinden und Individuen ─, die sie nicht etwa selbst erzeugt, sondern der gegenüber sie sich positioniert: und zwar in sowohl kritischer als auch konstruktiver Absicht. Das bedeutet, dass die Systematische Theologie zu dem, was mit der evangelisch-christlichen Sprach- und Handlungspraxis zum Ausdruck gebracht wird, zunächst ein affirmatives Verhältnis einnimmt, bevor sie sodann untersucht, was davon sich in welcher Weise aufrechterhalten lässt, was modifiziert, was abgestreift und was neu entwickelt werden muss. Sie findet sich demnach als in einem Interpretationszusammenhang stehend wieder, zu dessen Fortführung sie selbst beiträgt.

Um dieser transformationalen Aufgabe nachkommen zu können, benötigt die Systematische Theologie nicht nur umfassende Kenntnisse ihrer eigenen Geschichte, sondern auch Einblicke in diejenigen Wissens-, Technik-, Kultur-, Erfahrungs- und Reflexionsbereiche, die unsere jeweils gegenwärtigen Weltanschauungen und -umgänge prägen. Im besten Fall hat sie eine vermittelnde Funktion, indem sie sich nicht nur den Herausforderungen widmet, die sich durch die gegenwärtigen Weltanschauungen und -umgänge für den evangelisch-christlichen Glauben ergeben, sondern auch umgekehrt den evangelisch-christlichen Glauben zur Herausforderung für jene werden lässt. Da Wissensbestände und Kulturen sich ständig neu formieren, ist die Aufgabe der Systematischen Theologie nicht abschließbar; sie stellt sich in jeder Zeit und an jedem Ort neu; und dementsprechend sieht die Systematische Theologie sich einem kontinuierlichen Veränderungsprozess ausgesetzt.

 

Im institutionellen Kontext evangelisch-theologischer Fakultäten und Fachbereiche in Deutschland gliedert sich die Systematische Theologie zumeist in zwei Teildisziplinen: in die Dogmatik, die es mit Aussagen (d.i. mit aussageförmigen Interpretanten), und in die Ethik, die es mit Handlungen (d.i. mit handlungsförmigen Interpretanten) zu tun hat. An einzelnen Standorten ─ so auch an der Universität Rostock ─ lässt sich zusätzlich die Denomination ‚Religionsphilosophie‘ finden. Diese Bezeichnung ist deshalb nicht völlig unproblematisch, weil sie fälschlicherweise suggeriert, es handele sich um eine etablierte Richtung heutiger Universitätsphilosophie (vergleichbar der ‚Theoretischen Philosophie’, der ‚Praktischen Philosophie‘ etc.) und werde von Philosoph/inn/en an Philosophischen Fakultäten vertreten. Dies ist überwiegend nicht der Fall; vielmehr wird die Religionsphilosophie heute zwar nicht ausschließlich, aber mehrheitlich von Systematischen Theolog/inn/en mit Affinität zur Philosophie betrieben: nämlich als eine auf das Phänomen Religion bezogene Reflexion, die philosophische Fragestellungen aufgreift, die sich von Philosoph/inn/en anleiten lässt, die über die durch einzelne Konfessionen und Religionen abgesteckten Traditionsgrenzen hinausschreitet und die sich nicht notwendigerweise an vorgegebenen Praxen orientiert. Der Übergang der Religionsphilosophie zu dem, was gelegentlich ‚Philosophische Theologie‘ heißt, nämlich zu der Arbeit an einem philosophischen Gottesbegriff, ist fließend.

 

Da Studienanfänger/innen erfahrungsgemäß zumeist kaum über christentumsbezogene Grundkenntnisse verfügen, die im Studium vorausgesetzt werden und auch vorausgesetzt werden müssen, sei begleitend zum Basismodul Systematische Theologie aller an der Theologischen Fakultät angesiedelten Fachstudienordnungen die vollständige Lektüre folgender drei Monographien dringend empfohlen (in Reihenfolge zunehmenden Detailreichtums und zunehmender Spezialisierung):

  • Kurt Nowak, Das Christentum. Geschichte, Glaube, Ethik, 7. Aufl., München: C.H. Beck, 2018.

  • Alister E. McGrath, Der Weg der christlichen Theologie, hg. v. Heinzpeter Hempelmann, 3., überarb. und erw. Aufl., Gießen/Basel: Brunnen, 2013.

  • Friedrich Wilhelm Graf, Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, München: C.H. Beck Verlag, 2006.

  • Eberhard Jüngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens. Eine theologische Studie in ökumenischer Absicht, 6. Aufl., Tübingen: Mohr Siebeck, 2011.

Darüber hinaus können zur Einführung in die Theologische Ethik empfohlen werden:

  • Svend Andersen, Einführung in die Ethik, 2., erw. Aufl., Berlin/Boston: de Gruyter, 2005.
  • Johannes Fischer, Theologische Ethik. Grundwissen und Orientierung, Berlin/Köln: Kohlhammer, 2002.
  • Stanley Hauerwas, Selig sind die Friedfertigen. Ein Entwurf christlicher Ethik, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1995.

 

(Rostock, 28.2.2019, gez. Gesche Linde)

MitarbeiterInnen

Lehrstuhlvertretung
Prof. Dr. Stefan Dienstbeck
 

Juniorprofessor
JProf. Dr. Johann-Christian Põder
 
Wissenschaftliche_r Mitarbeiter_in (Lehrstuhl)
Kaja Bradtmöller

Wissenschaftliche_r Mitarbeiter_in (Lehre)
Dr. Samuel Shearn

apl. Professor_innen und Privatdozent_innen
apl. Prof. Dr. Volker Stümke
PD Dr. Jens Wolff

Studentische Hilfskräfte
Hans Gebhardt
Josephin Friedrich

Ehemalige Lehrstuhlinhaber
em. Prof. Dr. Udo Kern (E-Mail)
Prof. Dr. Philipp Stoellger
Prof. Dr. Gesche Linde

 

 

Prüfungen

Hinweis zu den Magister- sowie Lehramtsprüfungen im Fach Systematische Theologie

Für die schriftliche Examensprüfung sind die folgenden Hilfsmittel zugelassen: Deutschsprachige Bibel (Luther; ohne Kommentarteil); Biblia Hebraica Stuttgartensia; Novum Testamentum Graece, 28. Aufl.; Evangelisches Gesangbuch. Die Hilfsmittel werden jeweils von Seiten der Fakultät gestellt.

Bitte beachten Sie, dass für die mündlichen Examensprüfungen eine schriftliche Liste bei dem Prüfer oder der Prüferin eingereicht zu werden hat, die Folgendes umfasst:

a) das mündliche Prüfungsthema,

b) Literaturangaben in ausreichendem Umfang,

c) bei Magisterprüfungen zusätzlich die Angabe eines dogmatischen oder ethischen Entwurfs.

Für Prüfungen im Wintersemester hat diese Liste bis zum 31. Oktober eingereicht zu sein, für Prüfungen im Sommersemester bis zum 30. April. Wird die Liste später eingereicht, können die Literaturangaben nicht mehr als verbindliche Prüfungsgrundlage geltend gemacht werden. Listen, die weniger als eine Woche vor Prüfungstermin eingereicht werden, können gar nicht mehr berücksichtigt werden.