Zum Tod des Schriftstellers Friedrich Christian Delius, Dr. h.c. der Theologischen Fakultät Rostock

Die Theologische Fakultät Rostock trauert um ihren Ehrendoktor, den Schriftsteller Friedrich Christian Delius, der am 30. Mai 2022 im Alter von 79 Jahren in Berlin verstarb. Delius, der 1943 in Rom als Sohn eines deutschen Pfarrers geboren wurde, biographische Wurzeln in Mecklenburg-Vorpommern hatte und in einem Pfarrhaus in Hessen aufwuchs, hat die ambivalenten Erfahrungen seiner religiösen Sozialisation zwischen Identitätsstiftung und Identitätsblockade vielschichtig und sprachgewaltig im Erzählen vergegenwärtigt. Dabei hat er wie kaum ein anderer Schriftsteller der Gegenwartsliteratur in seinem umfangreichen, vielfach preisgekrönten Werk literarisch-fiktional die zeitgeschichtliche Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg kritisch begleitet und seine Leserschaft in ein Spannungsverhältnis zwischen den reflektierten politischen, kulturellen, sozialen und religiösen Zuständen einerseits und den jeweils erzählten individuellen Lebensgeschichten andererseits gestellt. Seine empathische Auseinandersetzung mit den bleibenden Brüchen, Verletzungen und dem Fragmentarischen hält die Deutung seiner Figuren offen und wahrt auch in theologischer Perspektive das Geheimnis, das Unverfügbare und die Würde der Personen, nicht zuletzt im autobiographischen Resonanzraum. In religions- und kulturhermeneutischer Perspektive hat sich das Gespräch mit Friedrich Christian Delius für die Theologische Fakultät als äußerst anregend erwiesen, weil er in seinem Ringen mit der vielschichtigen Wirklichkeit eine ganz eigene Stimme und Sprache gefunden und die Suche nach Wahrheit in aller Offenheit nicht aufgegeben hat. Diese Stimme wird uns fehlen.

Die Theologische Fakultät wird Friedrich Christian Delius ein ehrendes Andenken bewahren und in ihrer Arbeit an ihn erinnern.

(Prof. Dr. Martina Kumlehn)


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