Geschlossene Gesellschaft

„Geschlossene Gesellschaft“

Sie wollen wissen, wer Sie sind?
Das theologisch-theaterpädagogische Projekt Geschlossene Gesellschaft lädt zu Antworten ein, die nicht schlauer, aber erfahrener machen werden

„Wo sind die Pfähle? Hereinspaziert, hereinspaziert. Wir heißen Sie herzlich willkommen in der ‚Geschlossenen Gesellschaft’. Sie sind Gesellschafter, natürlich. Treten Sie über die Schwelle – hier ist mehr als nur eine Grenze, die sich verschieben lässt, hier treten Sie über in den Tod Ihrer Möglichkeiten. Wo sind die Pfähle? Sie werden‘s schon spüren.
Ein Blick genügt, und Ihre Freiheit ist nur noch eine Potenz in der Macht des Anderen. Ohne den Anderen kann ich nicht sein, wer ich bin, doch mit ihm auch nicht. Denn wenn er erscheint, in meinem Universum bin ich verdammt, an ihn abzutreten, was mir nicht gehört und doch ganz meins war, ehe er noch erschien. – Kommen Sie, suchen Sie die Pfähle.
Sie wollen wissen, wer Sie sind? Ich werde es Ihnen zeigen. Sie wollen wissen, wo sie sind? Sie sind tot. Aber ein Grab mit schönen Blumen genügt nicht. Die Seele ist ja nicht darin. Wo geht sie hin?
Warum kämpfst du denn so? Gib auf, Mann, dann segne ich dich. Hör auf dich zu rechtfertigen. Es ist zu spät, Mann, schon immer. Ich bin dir voraus. Ich sehe dich. Ich spreche dich frei. Ich verurteile dich. Ich bin der Herr der Situation.“
Kommen Sie, ich werde es Ihnen zeigen: „Geschlossene Gesellschaft – ein theologisch-theaterpädagogisches Projekt nach Jean-Paul Sartre“ ist eine Kooperation zwischen dem THEATERNEUBAU, dem unabhängigen Theater Rostocks, dem Institut für Text und Kultur (ITK) der Theologischen Fakultät und der Südstadtgemeinde Rostock. Mit einer Adaption des Stückes von Sartre soll die existentialistische Frage nach den Möglichkeiten der Selbsterkenntnis und Selbstwahl in Begegnung mit dem oder den Anderen oder Fremden in unseren Zeitgeist hinein geworfen werden. Gewürfelt wird dabei angesichts der maximalen Identitätsunsicherheit in der Spätmoderne. Gewürfelt, gemogelt. Gott würfelt nicht. Gott pfeift auf uns. Aber nur, weil er nicht schlafen kann vor Sorge. Und wenn Sie auch nicht schlafen können, sollten Sie Sartre lesen, werden doch bei ihm über zwischenmenschliche Grundprobleme aktuelle Debatten um Integration, Pluralität und Formen sozialer Gerechtigkeit reflektiert. Ist die Welt Ihnen fraglich, Sartre kennt die Antwort. Sicher nicht. Denn sicher können wir uns niemals sein, aber wählen können wir. Wählen Sie als nächstes die Bibel. Lesen Sie Genesis 32. Sie sind zur Lektüre verurteilt, wenn Sie verstehen wollen, wie unser Projekt theologisch mit Sartres Gedanken ringt. Wie bei Jakob wird auch am Ende dieses Projektes auf dem hinkenden Versuch der Selbst- und Welterkenntnis ein Segen liegen. Gott sei Dank: wir sind frei.
Kommen Sie, werden Sie Zeuge, wie Konfirmanden die Bibel zum Drama werden lassen, wie Theater Grenzen verschiebt, wie Türschwellen Antworten erfordern, wie Predigten erhört werden können, wie Andere unsere Gedanken und Handlungen aus alten Ordnungen zwingen.
Wie alles enden wird? Sicher nicht. Eines jedoch ist sicher: Man muss zu Aktionen übergehen.
 
Text: Katharina Gladisch
 
Fotos: Franka Machann

Informationen zum Projekt

Vorstellungstermine Theaterstück:
Premiere: 1.4.2016, 19. 30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 4.4.2016, 19.30 Uhr; 12.04. 2016, 9.30 Uhr, 15./16.04.2016, 19.30 Uhr; 15./20.05.2016, 19.30 Uhr
Ort: THEATERNEUBAU, Am Wendländer Schilde 7, 18055 Rostock
Inszenierung: Lukas Rauchstein
Textbuch: Katharina Gladisch, Lukas Rauchstein
 
2. Rostocker Predigt-Slam:
Prof. Dr. Thomas Klie, Katharina Gladisch, Lukas Rauchstein
8.-10.7.2016
Die Kunstform des Poetry-Slam ist mittlerweile bekannt – weniger bekannt ist die Adaption dieser Kunstform für die Predigtausbildung. Was passiert, wenn man versucht, eine Predigt Poesie werden zu lassen? Im 2. Rostocker Predigt-Slam soll versucht werden, Kleinkunst und Kanzelsprache in eine kreative Synthese zu bringen. Theologiestudierende und Pastoren/Pastorinnen üben sich im spontanen Verse-Schmieden und bringen das Ergebnis im Rahmen des Universitätsgottesdienstes am 10. Juli zur Darstellung.
 
Semsterbegleitendes Seminar:
Ethik des Anderen (Einführung in die theologische Ethik), Katharina Gladisch, Dienstag 9-11 Uhr, THF Rostock, Uni-Hauptgebäude
 
Projektbegleitende Publikation:
Katharina Gladisch/ Thomas Klie (Hrsg.): Geschlossene Gesellschaft. Gespielt-gedacht- gepredigt. Identitätsdramen zwischen Text und Performanz. Rostocker Theologische Studien Bd. 30. Münster: LIT 2016.