Navid Kermani in Rostock – Abschluss der Meisterklasse 4. und 5. Mai Rostock und Greifswald

Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Aula der Universität Rostock, und dennoch war es mucksmäuschenstill, als Navid Kermani mit leiser, aber eindringlicher Stimme entwickelte, welche überraschenden Parallelen Goethes Spiritualität in islamischer Traditionsliteratur hat. So wurde das aus Goethes „Talismanen“ entlehnte Motto der Vorlesung „Gottes ist der Orient! Gottes ist der Okzident“ als Zitat aus der Koran-Übersetzung Hammers erkennbar, die Goethe benutzte. Und dass ausgerechnet der große Denkerfürst nichts gegen den Verdacht einzuwenden habe, „daß er selbst ein Muselmann sey“, war wohl den wenigsten der Zuhörer vorher bekannt. Mit dem beeindruckenden Abendvortrag ging die diesjährige Meisterklasse zu Ende. Bei diesem vom Bildungsministerium initiierten Projekt besteht die Möglichkeit, eine herausragende Forscherpersönlichkeit zu einer außergewöhnlichen Seminarveranstaltung einzuladen. Mit besonders motivierten Studierenden und Doktoranden/innen sollte ein Themenkomplex bearbeitet werden, der sonst im Studium nicht vorkommt. Mit „Vollendete Schönheit. Zur (Un-)Übersetzbarkeit von Religion und Kultur“ hatten die Organisatoren, Albrecht Buschmann von der Philosophischen Fakultät, und Klaus Hock und Martin Rösel von der Theologischen Fakultät die Meisterklasse überschrieben. Damit nahmen sie Impulse aus dem Werk von Navid Kermani auf, in dem die Verbindung von Ästhetik, Sprache und Religion eine große Bedeutung hat. Zur Vorbereitung auf die Seminareinheiten mit Kermani selbst wurde den Studierenden aus Rostock und Greifswald in zwei intensiven Blockseminaren eine Einführung in grundlegende Fragen der Übersetzungstheorie geboten. Dabei wurde die islamkundliche Seite der Übersetzungspraxis besonders berücksichtigt wurde, die von Michael Marx, dem Leiter des Corpus Coranicum Projektes vermittelt wurde. Die Übersetzerin Marie-Luise Knott führte dann in das weite Feld des Übersetzens poetischer Texte ein. Darauf aufbauend wurden dann Texte von Navid Kermani selbst gelesen und analysiert, so dass die Seminarteilnehmer sehr gut vorbereitet in die Gespräche mit dem berühmten Gast gehen konnten. Für die eigentliche „Meisterklasse“ am 4. und 5. Mai sah das Programm öffentliche Vorträge Kermanis in Greifswald und Rostock vor, dazu zwei Seminareinheiten exklusiv für die Studierenden. Nach einer ersten Phase des Abtastens entwickelte sich schnell eine offene und fröhliche Gesprächsatmosphäre, so dass der vorgesehene Zeitrahmen viel zu kurz erschien. Auch Navid Kermani hatte erkennbar Spaß an der Interaktion mit den Studierenden, die ihrerseits sein Werk und seine Intention, unterschiedliche sprachliche, religiöse und kulturelle Traditionen miteinander ins Gesrpräch zu bringen, nochmals besser nachvollziehen konnten. Martin Rösel


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